Privatinsolvenzen
Definition
Der Indikator erfasst alle beantragten Insolvenzen von Privatpersonen, bezogen auf 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Zu den Privatinsolvenzverfahren zählen insbesondere die Verbraucherinsolvenzen, Insolvenzen von natürlichen Personen als Gesellschafter, aber auch die Insolvenzen ehemals selbstständig Tätiger sowie Nachlassinsolvenzen und Insolvenzen über das Gesamtgut.
Beschreibung
Die (drohende) Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen ist mehr als ein gesellschaftliches Randphänomen. Zu den häufigsten Ursachen gehören Arbeitslosigkeit, Schicksalsschläge, unwirtschaftliche Haushaltsführung, Trennung oder Scheidung, gescheiterte Selbstständigkeit oder ein längerfristiges Niedrigeinkommen.
Einmal in der Schuldenspirale gefangen, bleibt den Betroffenen eine selbstbestimmte Lebensgestaltung oft verwehrt. Auch für Gläubigerinnen und Gläubiger kann dies weitreichende Folgen haben. Ziel des Insolvenzverfahrens für Privatschuldende ist es daher, neben der bestmöglichen Befriedigung der Gläubigerinnen und Gläubiger den Schuldnerinnen und Schuldnern über eine Restschuldbefreiung auch die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neubeginns einzuräumen.
Der Indikator zeigt, wie häufig Privatpersonen, die in eine extreme finanzielle Notlage geraten sind, den Ausweg über ein Privatinsolvenzverfahren aus der Schuldenspirale suchen, und bildet damit einen Aspekt der materiellen Situation innerhalb der Gesellschaft ab.
Entwicklung und Bewertung
Erstmals seit dem Jahr 2010 stieg im Jahr 2021 die Zahl der Privatinsolvenzen in Baden-Württemberg und auch in Deutschland wieder an. Gegenüber dem Vorjahr wurde im Jahr 2021 in Baden-Württemberg ein Anstieg um 81,5 Prozent verzeichnet. Ursächlich ist vor allem eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020. Bei allen ab dem 1. Oktober 2020 beantragten Insolvenzverfahren ist es danach unter bestimmten Voraussetzungen möglich, sich statt wie zuvor in sechs Jahren nun bereits binnen drei Jahren zu entschulden. Im Jahr 2021 kam es in der Folge zu erheblichen Nachholeffekten, da viele Vorjahresbetroffene mit der Stellung ihres Insolvenzantrages auf die Gesetzesänderung warteten. Auch die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass viele Menschen Einkommenseinbrüche erlitten und finanzielle Reserven aufgebraucht wurden. Im Jahr 2021 gab es in Baden-Württemberg insgesamt 11 049 Fälle von Privatinsolvenzen. Das entspricht 9,9 Fällen je 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, davon 6,5 Fälle im Bereich der Verbraucherinsolvenzen und 2,9 Fälle ehemals selbstständig Tätiger. Die weiteren Anteile entfielen auf die Bereiche Nachlässe und Gesamtgut sowie auf natürliche Personen als Gesellschafterinnen beziehungsweise Gesellschafter und Ähnliches.
Bundesregierung 2020: Insolvenzrecht – Schnellerer Weg aus den Schulden. https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/restschuldbefreiungsverfahren-1765118 (zuletzt aufgerufen 28.07.2022)
Tagesschau 2021: Viel mehr Privatinsolvenzen. www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/creditreform-insolvenzen-corona-101.html (zuletzt aufgerufen 28.07.2022)
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2021: Pressemitteilung 326/2021: Baden-Württemberg: Im September 2021 mehr als dreimal so viele Privatinsolvenzen wie im Vorjahresmonat. https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2021326 (zuletzt aufgerufen 19.05.2022)
CRIFBÜRGEL 2021: Pressemitteilung: Privatinsolvenzen steigen in Deutschland um 50 Prozent. www.crif.de/pr-events/pressemitteilungen/2021/october/07/privatinsolvenzen-steigen-in-deutschland-um-50-prozent/ (zuletzt aufgerufen 19.05.2022)
Trendbewertung
LEITSATZ TEILHABE UND CHANCEN
Nachhaltig handeln in Baden-Württemberg heißt …
… allen Menschen im Land eine faire und gleiche Teilhabe sowie gleiche Chancen in der Gesellschaft zu eröffnen und den Anteil der Menschen in Armut zu reduzieren.